Hat die Kreislaufwirtschaft ein Kommunikationsproblem?
Diese Frage stelle ich mir seit vorletzter Woche. Da war ich zu Gast bei einem Netzwerktreffen zu Kreislaufwirtschaft in der Textilindustrie. Dabei ging es um aktuelle Recyclingtechnologien, gesetzliche Rahmenbedingungen und das Vernetzen wichtiger AkteurInnen im Kreislauf. Trotz all des geteilten Expertenwissens bei der Veranstaltung kam eine – und zwar die für mich wichtigste – Aussage erst ganz zum Schluss. Da meinte ein Herr: „Gehen Sie raus auf die Straße und fragen die Leute, was Kreislaufwirtschaft ist. Kaum einer wird es Ihnen wirklich sagen können.“ Stimmt das? Und warum sollten wir das unbedingt ändern?
Das fehlende Wissen
Erstens: Ja ich denke, dass das stimmt. Zur Überprüfung der Theorie habe ich in den letzten Tagen mehrere StudienkollegInnen von mir nach dem Thema Kreislaufwirtschaft gefragt. Manche hatten davon gehört, andere nicht. Alle haben beschrieben, was sie sich darunter vorstellen könnten, aber niemand wusste mit Sicherheit etwas darüber. Auch interessant: Niemand hat es von sich aus in Verbindung mit Kleidung, oder generell Produkten aus dem eigenen (Konsum-)Leben, gebracht. Dazu sollte ich erwähnen, dass ich all meine KollegInnen für interessierte und gebildete Menschen halte. Sie alle haben eine Matura gemacht, besuchen eine Hochschule und verbringen – auch aufgrund unseres Studiengangs „Journalismus und Public Relations (PR) – viel Zeit mit der Medienrezeption. Außerdem beschäftigen sich einige von ihnen, ob bewusst oder unbewusst, mit nachhaltigem Konsum. Schließlich shoppen sie durchaus gern Second Hand, sowohl im Laden als auch auf „Vinted“ und Co. Die Rolle der Kreislaufwirtschaft für die Bekleidungsindustrie war ihnen trotzdem unbekannt.
Aber ich darf meine KollegInnen dafür auf keinen Fall verurteilen. Bevor ich mich beruflich für die CMB Beratung mit Kreislaufwirtschaft auseinandergesetzt habe, hätte ich selbst nicht mehr als sie zu dem Thema sagen können. So ehrlich muss ich sein. Auch als ich dann begonnen habe, zu dem Thema zu recherchieren und Posts zu gestalten, bin ich in eine der typischen Fallen getappt: Ich habe mich auf das Recycling konzentriert und den restlichen Kreislauf – wie ressourcenschonende Produktherstellung, verlängerte Nutzungsdauer (durch Reparatur, Second Hand, Upcycling etc.) und vieles mehr – vernachlässigt. Dabei machen sie den Kreislauf erst komplett. Aber auch wenn wir gesellschaftlich mittlerweile besser über diese Bereiche als eigenständige, nachhaltige Schritte Bescheid wissen, kennt kaum jemand das Modell des Kreislaufs. Das liegt daran, dass es kaum kommuniziert wird. Weder von Medien noch von Unternehmen.
Der Storytelling-Faktor
Natürlich kann man jetzt die Frage stellen: Ist das überhaupt notwendig? Reicht es nicht, einzelne Aspekte (Second Hand Markt, Recycling-Möglichkeiten, etc.) zu stärken? Und wären nicht die großen Hebel wie gesetzliche Regelungen viel wichtiger? Jein. Natürlich sind all diese Dinge von großer Bedeutung, jedoch darf man die Macht der KonsumentInnen nicht ignorieren. Am Ende des Tages sind es immer sie, die die Industrie zum Umdenken zwingen. Und auch wenn wichtige Schritte, wie etwa die Bereitschaft Second-Hand-Mode zu kaufen, bereits gemacht werden, kann das Wissen über die Kreislaufwirtschaft den Fortschritt nochmal verstärken.
Wie das? An diesem Punkt bringe ich gerne das magische Wort „Storytelling“ ein. Es begegnet mir in fast jeder Lehrveranstaltung, ob im Journalismus oder der PR. Und das nicht grundlos. Die Erzählmethode, Botschaften in Form einer Geschichte zu kommunizieren, emotionalisiert die Inhalte und verankert die Informationen nachhaltig im Gedächtnis des Publikums. Außerdem, wie es ein Professor von mir mal vereinfacht ausgedrückt hat, „hören Menschen einfach gern Geschichten.“ Es stimmt. Wenn uns etwas als Geschichte erzählt wird, hören wir lieber zu als bei der Präsentation von blanken Informationen. Daher wird die Geschichte des Lebenskreislauf eines T-Shirts besser funktionieren als einzelne Anweisungen zu nachhaltigerem Konsum.
In Bezug auf den Kreislauf der Bekleidungsindustrie kann ich das an mir selbst beobachten. Die Auseinandersetzung mit der Kreislaufwirtschaft hat die Art verändert, wie ich über meine Kleidung nachdenke. Seitdem sehe ich die Stücke im Geschäft und in meinem Kleiderschrank mit anderen Augen an. Ich denke über ihre Herkunft nach, ob ich sie lange tragen werde und was passiert, wenn ich das nicht mehr tun will oder kann. Die Geschichte des Kreislaufs gibt unserer Kleidung ein Stück weit mehr Persönlichkeit – und bewegt uns so (hoffentlich) zu nachhaltigeren Entscheidungen.
Um meine anfängliche Frage zu beantworten: Vielleicht gibt es kein Problem in der Kommunikation. Vielmehr habe ich das Gefühl, dass bis jetzt gar nicht versucht worden ist, die Kreislaufwirtschaft als Ganzes zu kommunizieren. Sinnvoll wäre das allemal. Außerdem wäre es schneller geschehen als viele andere Änderungen. Denn jeder kann mitmachen, das Marketing von Branchen-Unternehmen genauso wie jeder von uns im eigenen Umfeld. Im ersten Schritt können dann doch mehr Leute auf der Straße die Frage nach der Kreislaufwirtschaft beantworten. Im nächsten setzen sich – vielleicht gerade deshalb – größere Hebel in Bewegung. Also: Fangen wir einfach mal an, darüber zu reden.