Der Digitale Produktpass – große Chance oder Bürokratiemonster

Der Digitale Produktpass (DPP) wird viel diskutiert. Die Idee hinter dem Digitalen Produktpass: Durch das Transparentmachen von Produktinformationen will die EU Nachhaltigkeit fördern und den Weg zur Kreislaufwirtschaft beschleunigen. Der/Die KonsumentIn soll in die Lage versetzt werden, bei jedem Produkt, das er/sie kauft, über einen digitalen Zwilling alle relevanten Informationen über die Herkunft des Produktes zu erhalten, um so bessere Kaufentscheidungen zu treffen. Man kann sich das so vorstellen: Über einen digitalen Code oder auch über einen RFID – Chip kann jede/r KonsumentIn umfassende Informationen über das Produkt erhalten, für das er/sie sich interessiert. Auf Basis dieser Informationen kann der/die KonsumentIn bessere Entscheidungen treffen und kann dadurch auch durch sein/ihr Kaufverhalten einen aktiven Beitrag zur Verbesserung der sozialen und ökologischen Entwicklung der Lieferketten beizutragen. So die Idee.

Die Rechtliche Grundlage

Das Konzept des digitalen Produktpasses (DPP) wurde in der EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien eingeführt und in der Verordnung über Ökodesign für nachhaltige Produkte (ESPR) weiterentwickelt.

Diese Verordnung bildet eine Rahmengesetzgebung, die den Rahmen für die künftige Umsetzung und Ausgestaltung pro Produktkategorie und Sektor festlegt. Bis Ende Dezember 2025 müssen Normungsorganisationen harmonisierte Standards für das DPP-System erarbeiten. Im Januar 2026 wird ein erster delegierter Rechtsakt für Textilien erwartet, und speziell für diesen Bereich sollen zu diesem Zeitpunkt die ersten Normen veröffentlicht werden, die Unternehmen dann innerhalb von 18 Monaten umsetzen müssen.

Die Europäische Kommission wird ein spezielles Webportal einrichten, über das DPPs registriert werden können. Diese zentrale Datenbank wird als Register mit allen Spezifikationen fungieren und sowohl Unternehmen als auch Verbraucher zur Verfügung stehen

Offene Fragen – Kritik

Die wichtigste offene Frage ist die, welche Inhalte im DPP abgebildet werden sollen. Über wie viele Tiers (Herstellungsstufen) sollen die Informationen abgebildet sein: Nehmen wir als Beispiel ein einfaches T-Shirt. Wird das Land und das Unternehmen, in dem das T-Shirt gefertigt, also genäht hat angeführt, oder auch der Hersteller der Vorstufe, wo das T-Shirt gestrickt wurde, oder auch, woher das Garn kommt. Gibt es Informationen darüber, welche Chemikalien eingesetzt wurden, welche Farbstoffe. Was passiert mit den Produktionsabfällen? Wie werden die Menschen entlang der Lieferkette entlohnt, wo kommt der Rohstoff her? Baumwolle, Polyester, Lyocell, wie hoch ist die Recyclingquote? Sind die Recyclingmaterialien Post Industrial oder Post Consumer Abfälle.

Was passiert bei Nichtvorhandensein eines DPP? Nehmen wir „Shein“ als Beispiel. In bisherigen Versuchen, relevante Informationen über die Lieferkette von „Shein“ zu erhalten, blieben die Recherchen erfolglos. 1) Aber selbst, wenn entsprechende Informationen verfügbar wären, wie sollten sie überprüft werden? Es ist wohl eher nicht davon auszugehen, dass Hersteller wie „Shein“ soziale oder ökologische Verfehlungen offenlegen werden. Auch die Nachvollziehbarkeit und Beurteilung von Informationen wird sich schwierig gestalten, wenn Hersteller in China angeführt sind.

Ein weiterer Kritikpunkt: Heute stimmen nicht einmal die Informationen auf Textilkennzeichnungsetiketten, warum soll die Qualität der Informationen in einer digitalen Produktinformation besser werden. Regelmäßig werden von Behörden und Verbraucherschutzverbänden Untersuchungen durchgeführt, die zum Ziel haben, die Informationen über Materialzusammensetzung auf textilen Etiketten zu überprüfen. Und die Ergebnisse sind regelmäßig ernüchternd 2)

Eine weitere Frage ist, inwiefern die VerbraucherInnen in der Lage sind, aus den im DPP verfügbaren Informationen Schlüsse zu ziehen, wie umweltfreundlich oder umweltschädlich der Herstellungsprozess tatsächlich ist. Wie kann sichergestellt werden, dass die Informationen, die aus einem digitalen Produktpass hervorgehen, mehr Aussagekraft haben als Marketingtexte, die heute schon verfügbar sind.

Technologieanbieter und Recherchen

Es gibt unterschiedliche technologische Ansätze zur Unterstützung bei der Datenbereitstellung für einen DPP. Ich will hier gerne drei unterschiedliche Ansätze vorstellen:

Einige Anbieter in Sachen DPP – Technologie setzen auf Blockchain-Technologie. Ich hatte das Vergnügen, einen Vortrag eines Verantwortlichen des Unternehmens Wearaware aus den Niederlanden zu deren Umsetzungsideen zu hören. Wearaware sind fest davon überzeugt, dass ihre Lösung die einzige praktikable und richtige ist. Die Blockchain Technologie erlaubt laut deren Aussagen keinerlei Manipulation und gibt daher absolut korrekte Informationen wieder.

Andere Unternehmen, darunter das Unternehmen Retexcycle aus Spanien, setzen auf das Integrieren von „Tracer Pigmenten“ während des Spinnprozesses in der textilen Herstellung. Diese Technologie könne laut Retexcycle als einzige Technologie verlässlich über die Herkunft des Textils Nachweise geben. Allerdings bleiben auch hier Fragen offen. So zum Beispiel gibt diese Technologie über die sozialen Hintergründe im Herstellungsprozess keine Auskunft. Auch für ein second life im Falle eines „Faser-zu-Faser-Recyclings“ müsste diese Technologie noch Lösungen liefern.

Prewave, ein aufstrebendes Startup aus Österreich, setzt auf Künstliche Intelligenz und Big Data. Sämtliche Veröffentlichungen rund um jedes Unternehmen werden mit KI ausgewertet. Die Frage, wie präzise derlei erfasste Daten sein können, kann ich persönlich nicht beurteilen.  Es ist aber auch gut möglich, dass ich die Möglichkeiten dieser Technologie stark unterschätze.

Es gibt freilich auch Hersteller, die auf einen Mix der oben beschriebenen Technologien setzen. Piconext ist ein solches Unternehmen, das sowohl auf Blockchain als auch auf KI setzt.

Meine Recherchen über Unternehmungen, die heute schon mit DPP-Informationen werben, konnten mich allerdings nicht überzeugen. Die abrufbaren Informationen waren kaum relevant und gaben keine Details über die tatsächliche Herkunft des Produktes preis. 3)

Mein Resümee

Der Digitale Produktpass DDP muss in seiner Umsetzung wirklich gut überdacht sein, damit er auch wirklich die erforderliche Wirkung hat.  Aus meiner Sicht wäre zuerst eine deutliche Verschärfung der Minimalrichtlinien seitens der EU erforderlich, unter welchen Umständen Produkte überhaupt in die EU eingeführt werden dürfen. Diese Richtlinien sollten dann über Stichproben überprüft werden und mit sehr hohen Strafen geahndet werden. Eine weitere sehr wirksame Maßnahme wäre in der ganzen EU den Einkauf von Behörden und behördennahen Institutionen stärker in Richtung Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zu regulieren (Stichwort Green Public Procurement). Mit den daraus gewonnen Informationen könnten dann die Regularien für einen zukünftigen DPP effektiver gestaltet werden. Eine zeitnahe aber nicht wirklich wohlüberlegte Umsetzung wird uns leider nicht wirklich weiterbringen.

1) Ökotest Jahrbuch 2025; „Ultra Unnötig“ Test von Christine Throl und Heike Baier.

2)https://www.lgl.bayern.de/produkte/bedarfsgegenstaende/bg_koerperkontakt/ue_2020_21_textilien_pelzaccesseoires.htm

3) https://dpp.weartek.com.au/detail/weartek-4836-men

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