Generationenmanagement

In der Arbeitswelt treffen unterschiedliche Generationen aufeinander – von erfahrenen Babyboomern über die pragmatische Generation X bis hin zu den digital versierten Millennials und der aufstrebenden Generation Z. Diese Vielfalt birgt sowohl Herausforderungen als auch immense Chancen für Unternehmen, doch wird dies oft unterschätzt oder unzureichend berücksichtigt. In diesem Beitrag beleuchte ich aus meiner Perspektive als Berater, wie Generationenmanagement in Unternehmen strukturiert und effektiv umgesetzt werden kann.

 

Herausforderungen

Eines der offensichtlichsten Merkmale des Generationenmixes im Unternehmen sind die unterschiedlichen Arbeitsweisen und Erfahrungen. Während ältere MitarbeiterInnen oft über tiefes Fachwissen und langjährige Erfahrung verfügen, bringen jüngere MitarbeiterInnen frische Perspektiven und technologische Affinität mit. Diese Unterschiede können zu Vorurteilen und Missverständnissen führen.

Ein anschauliches Beispiel bietet die Textil- und Bekleidungsindustrie, in der traditionelle handwerkliche Fähigkeiten aufgrund von Schulschließungen und der Abwanderung der Industrie verloren gegangen sind. Das Wissen ist mit den Unternehmensschließungen verschwunden, doch der Markt und die Notwendigkeit des Kompetenzaufbaus bestehen weiterhin. Hier zeigt sich, wie wichtig der Erhalt und die Weitergabe von Know-how sind – und wie entscheidend Generationenmanagement sein kann, um vorhandenes Wissen zu bewahren und gleichzeitig neue Entwicklungen zu integrieren.

Auch in anderen Bereichen wie dem Wissensmanagement, dem internationalen Austausch, den Sprachkompetenzen oder dem Umgang mit modernen technologischen Möglichkeiten sind Unterschiede erkennbar. Junge MitarbeiterInnen neigen dazu, häufiger den Job zu wechseln, oft auf der Suche nach Anerkennung, besseren Karrierechancen und nicht zuletzt wegen der Möglichkeit, in einem neuen Unternehmen besser entlohnt zu werden. Große Unternehmen nutzen dies strategisch, um Wissen von anderen Firmen abzuziehen, was jedoch nicht mit echtem Generationenmanagement verwechselt werden sollte. Wirkliches Generationenmanagement setzt auf Anerkennung, Wertschätzung, angemessene Bezahlung und ist systematisch in die Unternehmenskultur integriert.

 

Betriebliche Praxis

Die hohe Abhängigkeit vom Wissen einzelner SpezialistInnen ist in vielen Unternehmen offensichtlich – unabhängig von der Altersgruppe. Während ältere MitarbeiterInnen ihre über Jahrzehnte entwickelte Fachkompetenz und langjährig aufgebauten Netzwerke einbringen, punkten jüngere MitarbeiterInnen mit sehr speziellen Fähigkeiten, die älteren Generationen oft fremd sind. Der unkomplizierte Umgang mit neuen, innovativen Technologien wie Künstlicher Intelligenz oder Augmented Reality, den Möglichkeiten sozialer Netzwerke, neuen Formen der digitalen Zusammenarbeit und digitaler internationaler Vernetzung, sind die Stärken der Jüngeren. Gleichzeitig bringen sie einen völlig anderen Zugang zu Themen der Work-Life-Balance in die Unternehmenskultur ein. Obwohl die Herausforderungen des Generationenmanagements in vielen Unternehmen angesprochen werden, sind in den wenigsten Unternehmen strukturierte und erfolgreiche Programme etabliert, die den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den Generationen fördern.

Lösungsansätze und Herausforderungen in meinem Beratungsumfeld

Ein Unternehmen, das ich derzeit begleite, hat seine MitarbeiterInnen nicht nur nach ihrem aktuellen Erfahrungswert kategorisiert, sondern auch den bevorstehenden Wissens- und Erfahrungsverlust durch Pensionierungen erfasst und sichtbar gemacht. Das Unternehmen hat eine betriebliche Kennzahl entwickelt, die den aktuellen Bestand an Erfahrungsjahren sowie den absehbaren Verlust dieser Erfahrungsjahre verdeutlicht. Dieser erste Schritt hat das Problem zwar noch nicht gelöst, aber immerhin verdeutlicht, welchen hohen Stellenwert langjährige Betriebszugehörigkeit hat.

Ein weiteres Praxisbeispiel ist die Einführung eines systematischen Mentoring-Programms, bei dem erfahrene MitarbeiterInnen als MentorInnen für junge Führungskräfte fungieren, die Verantwortung in spezifischen Unternehmensbereichen übernommen haben. Interessanterweise kam die Anregung zu dieser Lösung von einer jungen Führungskraft – ein klarer Beweis dafür, dass die Innovationskraft der Jüngeren und der Erfahrungsschatz der Älteren Hand in Hand gehen können, wenn sie richtig gemanagt werden.

Allerdings gibt es auch Negativbeispiele. In einem Fall hielt eine erfahrene Führungskraft bewusst ihr Wissen zurück, um ihre Position zu sichern. Sie baute eine „Blackbox“ um ihr Wissen und ihr Netzwerk auf. Wichtige Entscheidungen traf sie ausschließlich im Alleingang und erklärte nie ihre Beweggründe. Solche Verhaltensweisen können für das Unternehmen verheerende Folgen haben, insbesondere wenn diese Person kurz vor der Pensionierung steht und keinen persönlichen Anreiz zur Weiterentwicklung mehr sieht.

Auch über das System der Lehre und Personalentwicklung gibt es nicht nur Positives zu berichten. Die Lehrjahre sind in vielen Unternehmen sehr professionell organisiert. Erfahrene und gut ausgebildete LehrmeisterInnen geben ihr Wissen und oft auch ihre Begeisterung für das erworbene Handwerk an junge MitarbeiterInnen weiter. Eine weiterführende Personalmanagementstrategie fehlt jedoch in vielen Unternehmen. Mit dem Lehrabschluss scheint auch das Verpflichtungsbewusstsein der Unternehmen zu enden. Junge Fachkräfte sind dann in ihrer weiteren Entwicklung auf sich allein gestellt.

In einem Unternehmen musste ich auch feststellen, dass junge, gut ausgebildete und kommunikationsbereite MitarbeiterInnen von erfahrenen KollegInnen sogar ausgebremst wurden. Anstatt die Jungen zu fördern und anzuerkennen, dass das Unternehmen mit ihrer Weiterentwicklung gestärkt wird, wurde gegen sie opponiert – nicht zum Nutzen des Unternehmens, sondern zur Befriedigung des eigenen Egos.

Wenig bis keine Erfolge im Generationenmanagement sind durch den Aufbau von Wissensdatenbanken, Normierungen oder Zertifizierungen zu erkennen. Das Konservieren von Wissen in solchen Systemen gleicht dem Versuch, Radfahren aus einem Buch zu lernen. Stattdessen müssen Unternehmen aktive, praxisorientierte Ansätze entwickeln, die weit über das Abhalten von Workshops und Seminaren hinausgehen.

 

Fehlerkultur und intergenerationale Zusammenarbeit

Generationenmanagement ist eng mit der Fehlerkultur eines Unternehmens verknüpft. Fehler gehören zum Lernprozess, insbesondere wenn junge MitarbeiterInnen neue Ansätze ausprobieren. Unternehmen müssen eine Umgebung schaffen, in der Fehler als Teil des Wachstumsprozesses akzeptiert werden, ohne die Existenz des Unternehmens zu gefährden.

Die Verantwortung für ein erfolgreiches Generationenmanagement liegt maßgeblich bei der Unternehmensführung und den EigentümerInnen. Dies zeigt sich besonders in sehr traditionsreichen Familienunternehmen, wo oft eine langfristige Perspektive vorherrscht. Erfolgreiche Unternehmen denken in Generationen. Eine solche Denkweise ermöglicht es ihnen oft, über Jahrhunderte hinweg erfolgreich zu bestehen.

 

Generationenmanagement als strategische Notwendigkeit

Generationenmanagement ist keine Einbahnstraße. Es erfordert Verständnis und Offenheit von beiden Seiten. Ein nachhaltiges Generationenkonzept sollte systematisch entwickelt und in die zentrale Unternehmensstrategie integriert werden – vergleichbar mit der Bedeutung eines ESG-Managers oder der IT-Abteilung.

Unternehmen, die Generationenmanagement ernst nehmen, schaffen nicht nur eine wertschätzende Arbeitsumgebung, sondern sichern sich auch einen langfristigen Wettbewerbsvorteil. Es gilt, das Potenzial aller Generationen zu erkennen und zu nutzen – zum Wohle des Unternehmens und seiner MitarbeiterInnen.

 

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