Das Konzept der marktnahen Produktion
Vor genau einem Jahr habe ich zum ersten Mal im Rahmen einer Veranstaltung der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft das Konzept „Fair Fashion Hub“ vorgestellt. Der „Fair Fashion Hub“ soll zeigen, dass lokale Fertigung nicht nur sinnvoll, sondern vor allem auch möglich ist. Als Konzeptidee soll der „Fair Fashion Hub“ ein gemeinsamer Ort sein, an dem Fertigung von Bekleidung, Reparatur, Forschung, Schulung und Weiterentwicklung von Konzepten möglich gemacht wird.
Schon in meinem Artikel „Produktion der Zukunft“ habe ich beschrieben, welche Auswirkungen die Rückkehr zu einer lokalen und somit marktnahen Fertigungsstruktur für unsere Industrie haben kann. Als Gegenmodell zur derzeit vorherrschenden abgesetzten Produktion in weit entfernten Billiglohnländern ist das Fertigungsmodell der lokalen Fertigung in der Lage, viele der aktuellen Herausforderungen der Bekleidungsbranche zu lösen. Allem voran geht es um das Thema bedarfsgerechte Fertigung. Also darum, Bekleidung nur dann zu produzieren, wenn sie wirklich benötigt wird. Lokale Fertigung nach Bedarf würde das weltweite Problem von sinnlosen und somit kostenintensiven Überproduktionen zumindest beeinflussen, wenn auch nicht zur Gänze lösen.
Die Frage der Wirtschaftlichkeit
Ein wesentlicher wirtschaftlicher Aspekt, der für das “Fair Fashion Hub”-Konzept spricht, ist die zunehmende Nachfrage nach nachhaltiger und ethisch produzierter Mode. Konsumenten legen immer mehr Wert auf Transparenz und soziale Verantwortung, was den Druck auf die Bekleidungsindustrie erhöht, von den traditionellen Billiglohnländern abzukehren. Dies eröffnet Marktchancen für lokal produzierte Mode, die nicht nur ethischen, sondern auch qualitativen Ansprüchen gerecht wird.
Langfristig bietet die lokale Produktion Kostenvorteile durch Reduzierung von Transportkosten, geringere Abhängigkeit von volatilen globalen Lieferketten und den damit verbundenen Risiken. Zudem kann eine verbesserte Flexibilität in der Produktion, die es ermöglicht, schnell auf Modetrends zu reagieren, die Rentabilität erhöhen. Diese Effizienzgewinne, kombiniert mit dem wachsenden Verbraucherbewusstsein, machen das Konzept des “Fair Fashion Hub” zu einem zukunftsweisenden und wirtschaftlich tragfähigen Modell für die Bekleidungsindustrie.
Ein Ort für viele Möglichkeiten
Der „Fair Fashion Hub“ soll Fertigungsstätte, Reparaturwerkstatt und Schulungsraum sein. Darüber hinaus soll er auch für Forschungszwecke und Ideenwerkstatt dienen. Ein neu entstehendes Zentrum der Bekleidungs- und Textilkompetenz, an dem Modemarken, Schulen, öffentliche Organisationen und Forschungseinrichtungen gleichermaßen mitwirken, teilhaben und profitieren sollen. Er soll den vielen Einzelkämpfern im Fashionbereich Möglichkeiten und Zugang zu Technologien bieten, die sie in ihren aktuellen Organisationsformen nicht haben. Der „Fair Fashion Hub“ soll aber auch ein Ort sein, wo Neues und Kreatives entstehen kann.
Es braucht Lösungen und Vorzeigeprojekte
Die globale Bekleidungsindustrie ist in einer Situation festgefahren, die in dieser Form nicht mehr zukunftsfähig ist. Während sich die Weltgemeinschaft in der UNO schon vor Jahren mit den 17 Sustainable Developement Goals (SDGs) darauf verständigt hat, dass Fertigung innovativ und ressourcenschonend umzusetzen ist, scheint unsere Industrie die darin formulierten Ziele noch gänzlich auszublenden. Das Konzept „Fertigung in Billiglohnländern unter Ausbeutung von Mensch und Natur“ scheint ungebrochen und konkurrenzlos zu sein. Um dieses System zu ändern, bedarf es frischer Ideen, Innovationskraft, Initiative und vor allem Mut. Der „Fair Fashion Hub“ entspricht diesen Kriterien.
Technologie – Hub
Der „Fair Fashion Hub“ wird mit moderne IT- und Maschinengenerationen ausgerüstet sein. Die Technologien werden auf Serienfertigung mit der Produktionsstückzahl 1 ausgerichtet sein. So kann das Ziel, Fertigung „on demand“ mit industriellen Mitteln erreicht werden. Mit einer entsprechenden Anordnung und Ausstattung befasse ich mich seit Jahren. Der Punkt ist hier: Die optimale Ausstattung für eine solche Fertigung mit hohem Automatisierungsgrad gibt es noch nicht. Der „Fair Fashion Hub“ wird sich somit ständig weiterentwickeln, der Automatisierungsgrad sich laufend verbessern. Durch Erfahrungen werden die Anforderungen auch konkreter formulierbar sein. Eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Maschinenindustrie auf der einen Seite und verschiedenen Universitären und außeruniversitären Forschungseinheiten auf der anderen Seite wird dazu führen, dass diese Weiterentwicklung laufend stattfindet.
Von der Vision zur Umsetzung
Ein Jahr nach der Präsentation bin ich bereits intensiv mit der Umsetzung der ersten Projekte zu diesem Thema befasst. Und das nicht nur deshalb, weil ich persönlich eine von mir entwickelte Vision umsetzen möchte, sondern weil entsprechende Anfragen vermehrt an mich herangetragen werden. Vor dem Hintergrund der immer brutaleren Methoden und Vorgehensweisen der aktuellen „Ultra Fast Fashion“ Giganten wie Shein und Temu wird die Notwendigkeit zur Entwicklung von Gegenmodellen offensichtlich. Es sind vor allem junge Menschen, die genau diese Notwendigkeit erkennen, die Herstellungsprozesse von Mode von Grunde auf neugestalten wollen. Dabei soll der Mensch im Mittelpunkt stehen. Das Modell der Ausbeutung durch Fertigungsstandorte in Billigstlohnländern soll ersetzt werden durch ein Fertigungsmodell, das von Technologieentwicklung und Kreativität getragen ist. Und diese Fertigung soll wieder regional erfolgen – in unmittelbarer Nähe der Verbrauchermärkte. Den im Fertigungsprozess beteiligten Menschen soll ein Arbeitsumfeld geboten werden, in dem Monotonie und Leistungsdruck durch Kreativität und Technologieunterstützung ersetzt werden. Mode soll so wieder Spaß und Sinn machen.
Grundvoraussetzung für das Konzept der Kreislaufwirtschaft
Das Konzept der regionalen Fertigung ist auch ein Grundbaustein zur Umsetzung jedes Konzeptes im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Es macht keinen Sinn, über Kreislauf nachzudenken, wenn zur Umsetzung entsprechender Konzepte weite Distanzen zurückgelegt werden müssen. Sortierung, Wiederaufbereitung und Reparatur muss marktnah stattfinden, Warenströme über viele 1000 Kilometer hinweg müssen verhindert werden. Auch dafür müssen vermehrt Projekte wie der „Fair Fashion Hub“ umgesetzt werden.
Wer will noch dabei sein?
Der „Fair Fashion Hub“ kann und soll kein Einzelprojekt bleiben. Die Weiterentwicklung unserer Industrie in eine nachhaltige Zukunft wird von partnerschaftlichen Modellen geprägt sein. In diesem Sinne lade ich zur Mitarbeit ein. Denn nur gemeinsam werden wir die Modeindustrie in eine sauberere Zukunft führen können.