Nachhaltige Mode: Ein Dialog mit der nächsten Generation
Es ist eine Sache, als Experte mit Unternehmern, Managern, Wissenschaftlern, Forschern und anderen Experten im Austausch zu stehen, um herauszufinden, wie wir eine positive Veränderung hin zu einer sauberen Modeindustrie bewirken können. Eine ganz andere Sache ist es, den Dialog mit der Altersgruppe zu suchen, die hauptsächlich für Überproduktion und (Ultra) Fast Fashion verantwortlich ist und deren Kaufverhalten dieses Problem verstärkt: die globalen sozialen und ökologischen Auswirkungen der Modeindustrie. In der vergangenen Woche hatte ich die Gelegenheit zu einem solchen Austausch.
Ich wurde von den Hertha Firnberg Schulen eingeladen, im Rahmen eines Schulprojekts zunächst eine Keynote zum Thema „Mode nachhaltig gedacht“ zu halten und anschließend mit fünf ersten Klassen dieser wirtschaftlichen Oberstufenschule in Kurzworkshops verschiedene Fragen zu diskutieren. Die Schüler und Schülerinnen, mit denen ich arbeiten durfte, waren zwischen 14 und 16 Jahre alt.
Die von mir ausgewählten Fragen lauteten:
Welchen Beitrag kann ich als Konsumenten und Konsumentinnen zu einer nachhaltigeren und saubereren Modeindustrie leisten?
Wie kann ich erkennen, ob eine Firma wirklich umweltfreundlich ist?
Stell dir vor, du bist der Chef/ die Chefin von H&M. Welche Ideen und Maßnahmen würdest du in einen Plan für umweltfreundliche Kleidung aufnehmen?
Die Schulklassen durften sich eines der Themen aussuchen. Dann wurde das Thema in Kleingruppen kurz diskutiert und schließlich von einer Sprecherin oder einem Sprecher der Gruppe vorgetragen.
Vorweg: Es hat unglaublich viel Spaß gemacht. Obwohl es die letzte Schulwoche war, in der die Bereitschaft, aktiv zu arbeiten und zu lernen, oft von der Vorfreude auf die Ferien überschattet ist, haben sich viele Schüler und Schülerinnen aktiv an den Diskussionen beteiligt.
Was habe ich gelernt:
15-Jährige haben noch wenig Zugang zu den von mir vorgetragenen Themen. Die Hauptmotivation beim Einkauf ist, dass das Produkt billig ist. Auf meine Frage, ob sie schon einmal mit den Themen der massiven Umweltbelastung und der großen sozialen Probleme, die die Modebranche verursacht, konfrontiert wurden, antworteten einige, dass sie im Englischunterricht einmal davon gehört hätten. Die Englischlehrerin hatte das Problem offensichtlich thematisiert und zum Inhalt einer Schulstunde gemacht. Mehr war nicht zu erfahren. An dieser Stelle vielen Dank an die Lehrerin, deren Namen ich leider nicht kenne. Bitte konfrontieren Sie Ihre Schülerinnen und Schüler immer wieder mit diesen Themen! Sie leisten damit einen großen Beitrag, denn Aufklärung ist enorm wichtig!
Keine einzige Schulklasse wollte die erste von mir gestellte Frage – wie jeder Einzelne mit seinem Einkaufsverhalten zur Problemlösung beitragen kann – in Ermangelung von Basisinformationen diskutieren. Jede Klasse wollte lieber „H&M“-Chef:in sein. Letztlich habe ich die Spielregeln bei zwei Klassen geändert und sie gebeten, mit mir die Frage 2 zu erörtern: „Wie kann ich erkennen, ob ein Unternehmen tatsächlich nachhaltig handelt?“ In diesem Zusammenhang kam ich zu einer weiteren spannenden Erkenntnis: Die wenigsten Schülerinnen und Schüler kannten den Begriff „Greenwashing“. Immerhin konnte in jeder Klasse mindestens ein Schüler/ eine Schülerin den Begriff gut erklären.
Auch wenn ich feststellen musste, dass das Thema für diese Altersgruppe nicht im Fokus steht, freue ich mich, dass ich es ansprechen konnte und gehe davon aus, dass ich viele junge Menschen zum Nachdenken angeregt habe. Viele von ihnen werden beim nächsten Einkauf wahrscheinlich kurz recherchieren und versuchen herauszufinden, ob das Kleidungsstück, das sie kaufen wollen, unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt wurde. Oder wie ich es ausdrücke: Die Anzahl derer, die sich beim Einkauf Gedanken machen, ist seit gestern gestiegen. Es sind die kleinen Schritte, die zählen.
Ein weiteres Learning war, dass die Altersgruppe dem Thema „Second Life“, also dem Kauf gebrauchter Ware, sehr aufgeschlossen gegenübersteht. Gut, es gibt das Phänomen des „Attitude-Behaviour Gaps“, das die Diskrepanz zwischen dem beschreibt, wie man sich verhalten möchte und dem tatsächlichen Verhalten. Aber auch hier gilt: Es geht nicht darum, alle jungen Menschen auf einmal mit neuen Themen zu konfrontieren, sondern die Themen in kleinen Schritten voranzutreiben.
Der qualitative Unterschied zwischen Markenbekleidung und Fast Fashion wurde ebenfalls oft diskutiert. Die Jugendlichen gehen regelmäßig davon aus, dass Markenbekleidung nicht wirklich besser sei – man zahle einfach für die Marke, weil Markenaufbau und Marketing viel Geld kosten. Wirklich bessere Kleidung bekomme man dafür aber nicht. Tatsächlich war der Anteil derer, die an diesem Tag durch Markenbekleidung aufgefallen sind, sehr gering. Ich konnte auch keinen Trend erkennen, dass irgendeine Marke gerade besonders „hip“ wäre. Der Großteil der Schülerinnen und Schüler trug offenbar No-Name-Produkte aus verschiedenen Fast-Fashion-Quellen.
Temu und Shein sind dieser Altersgruppe ebenso bekannt wie H&M und Primark. Offensichtlich ist die Werbung, die 15-Jährige über diverse Social-Media-Kanäle auf ihr Smartphone erhalten, massiv. Durch Gewinnspiele für Rabatte werden schnelle Kaufentscheidungen gefördert. Die Jugendlichen sind selbst überrascht, wie aggressiv diese chinesischen Ultra-Fast-Fashion-Ketten werben.
Und wie standen die Lehrer und Lehrerinnen dazu?
Auch die Reaktion der Lehrer und Lehrerinnen war sehr unterschiedlich. Jede Klasse kam mit einem Lehrer oder einer Lehrerin zu meinem Workshop. Von fünf Klassenlehrern gingen nur zwei mit mir ins Gespräch und interessierten sich für die von mir behandelten Themen. Sie stellten Fragen zu ihrem eigenen Einkaufsverhalten und wollten Informationen über ihre bevorzugten Marken. Für die anderen Klassenlehrer war das Thema meiner Wahrnehmung nach nicht interessant genug, um sich tiefer damit zu beschäftigen. Aber auch hier: Zwei von fünf ist keine schlechte Quote. Wenn sich 40 % der Konsumenten und Konsumentinnen für Nachhaltigkeit in der Modebranche interessieren oder stark machen würden – die Welt wäre schlagartig eine bessere!
Was ich noch gelernt habe: Ich werde zukünftig meine Inhalte altersgerechter aufbereiten. Ein – wenn auch gut recherchierter und detaillierter – Vortrag mit wenig Bildern und ohne Videos ist für diese Zielgruppe zu trocken. Schockierende Bilder oder Filme, oder Reels von Influencern auf Instagram & Co. wären vermutlich der richtige Zugang gewesen. Es half auch nicht, dass meine Präsentation viele grafische Animationen und Effekte enthielt – brutale Bilder von den Auswirkungen der Modeindustrie, mit entsprechendem Sound hinterlegt – so werde ich das nächste Mal die Kommunikation mit Schülern in diesem Alter gestalten.
Viel gelernt – was nun?
Die große Frage ist, was ich aus diesen Erfahrungen mitgenommen habe. Wie können wir aus jungen Konsumentinnen und Konsumenten, die sich vorwiegend am Preis orientieren, verantwortungsvolle Konsumentinnen und Konsumenten machen? Vermutlich wird es die Aufgabe der Modeindustrie sein, zukünftig auch an der Bildung teilzunehmen. Wir müssen Schulen und Eltern unterstützen, damit sie junge Menschen über die Auswirkungen ihres Konsums aufklären können. Natürlich sind es nicht nur die Konsumenten und Konsumentinnen, die den Markt bestimmen. Es geht immer um Angebot und Nachfrage. Aber Konsumverhalten ist Nachfrage und somit ein wichtiger Hebel.
Ich möchte mich jedenfalls für diese großartige Gelegenheit des Austauschs noch einmal herzlich bedanken! Es hat Spaß gemacht, ich habe viel gelernt und ich habe ein sehr positives Bild unserer Jugend aus diesem Tag mitgenommen!